Flourish & Blotts

[...]

Elen Yaxley, 48 Jahre

Spieleinstieg

Es war Dienstag Nachmittag, aber da sie heute nach 12 Uhr Mittags keine Arbeit mehr gehabt hatte, nutzte Elen ihre freie Zeit, um sich ein wenig bei Flourish&Blotts umzuschauen. Natürlich hätte sie einfach einen Hauselfen schicken können, wenn sie denn eine bestimmte Idee gehabt hätte, wonach sie suchte, aber im Grunde handelte es sich nur um einen Zeitvertreib, nach Hause wollte sie noch nicht. Ihr Mann würde heute nicht dort sein, und die Hauselfen waren mit Sicherheit keine angenehme Gesellschaft. Diese dummen Wesen, kein Gespräch war mit ihnen möglich, sie verstanden sich einfach nicht auf die Kunst der gepflegten und intelligenten Unterhaltung. Elen seufzte leise und griff auf Geratewohl nach einem schon etwas älter aussehenden Buch mit schwarzem Einband. Scheinbar hatte der Laden es schon seit einiger Zeit hier herumstehen, wofür auch die Miene des Verkäufers sprach, der diensteifrig auf sie zugeeilt kam. Die Hexe ließ ihn jedoch gar nicht erst zu Wort kamen sondern machte nur eine abwehrende Geste. "Vergessen Sie es." Zu mehr ließ sie sich nicht herab, wer wusste schon, um wen es sich bei diesem Mann handelte, sie hatte ihn jedenfalls noch nie zuvor gesehen, oder falls doch, so hatte sie ihn verdrängt. In beiden Fällen konnte es niemand wichtiges sein. Soll heißen, kein Reinblüter, keiner, der noch stolz auf seine Abstammung sein konnte und es auch tatsächlich war. Ohne auf die Reaktion des Verkäufers zu warten, trete Elen sich um und verschwand zwischen zwei Regalreihen. Das Buch, in das sie noch nicht einmal einen Blick geworfen hatte, ließ sie dort zurück, wo sie gerade eben noch gestanden hatte.

Spieleinstieg

Nemesis war einkaufen gewesen – zwar hatte sie es nicht nötig, selbst auch nur einen Fuß auf die Straße zu setzen, denn sie hatte schließlich genügend Dienstboten zur Verfügung, doch sie konnte schließlich nicht den ganzen Tag im Haus eingesperrt bleiben, da verlor man über kurz oder lang den Verstand… Nemesis war sich nur halb bewusst, dass sie ohnehin schon gefährlich nah an der Grenze zum Wahnsinn stand, und vielleicht war es eine Art instinktiver Selbsterhaltungstrieb, der sie dazu gebracht hatte, heute nach draußen zu gehen.

Nach einem kurzen Spaziergang in der Winkelgasse hatte sie sich in den renommiertesten Buchladen der Gasse begeben, Flourish & Blotts. Dort hatte sie ein Buch gefunden und sich auf einem der stabiler wirkenden Buchstapel ausgebreitet, um gemütlich darin zu blättern; warum auch sollte sie es kaufen, wenn sie es auch hier lesen konnte? Der Besitzer der Buchhandlung konnte froh sein, dass sie ihm die Ehre erwies überhaupt hier einzukehren…!


Über dem Buch jedoch war Nemesis eingedöst und schlief jetzt ganz unschuldig in einer verborgenen Ecke des verwinkelten Buchladens, ohne sich der Tatsache bewusst sein, dass ein solches Benehmen nicht unbedingt angebracht war.

Elen Yaxley, 48 Jahre

Langsam und gelassen wanderte Elen durch die Reihen der Regale hindurch, wobei sie dem Verkäufer strikt dem Rücken zuwandte. Erst, als sie hören konnte, wie er weitere Kunden ansprach, die eher auf seinen Rat angewiesen waren als sie, stahl sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht. Nun, im Grunde war er gar nicht so schlimm gewesen, es gab wesentlich nervigeren Menschen auf dieser Welt! Sie selbst nahm nur noch hin und wieder ein Buch zur Hand, aber keines weckte ihr Interesse lang genug, als dass sie es auch aufgeschlagen hätte. Nach einigen Minuten erlebte sie jedoch eine eindeutige Überraschung, als sie eine Frau in ihrem Alter auf einem Bücherstapel sitzen und schlafen sah. Nemesis...! Ihre Verwunderung kam aber nicht dadurch zustande, dass ihre Freundin sich ausgerechnet den Buchladen als Platz für ein Nickerchen ausgesucht hatte, sondern viel mehr, dass sie weit und breit keine Hauselfen sehen konnte, der Nemesis' Einkäufe für sie tragen konnte.

Eine Weile sah sie auf ihre alte Klassenkameradin hinunter, dann ging sie vor ihr in die Hocke, allerdings sehr darauf bedacht, den Saum ihres Kleids aus dem Staub herauszuhalten. "Nemesis?" Sanft rüttelte sie ihre Freundin an der Schulter. "Ich glaube, du könntest bessere Orte zum Schlafen finden als einen Bücherstapel", sprach sie sie leise an und nahm ihr das Buch aus der Hand um es neben sich auf den Boden zu legen. "Du solltest wirklich aufstehen."

Nemesis blinzelte leicht und setzte sich halb auf. Verwirrt sah sie in das Gesicht ihrer besten Freundin Elen. Sie wusste nicht ganz, wo sie war und was Elen dort machte, doch sie lächelte ihr zu, freute sie sich doch immer, wenn sie Elen begegnete.

„Hallo…“, murmelte sie leise, dann hob sie ihre leere Hand vors Gesicht. Gerade war ihr eingefallen, dass eigentlich ein Buch hätte darin sein sollen. Aber da war nichts… Verwundert betrachtete sie das Nichtvorhandensein des Buches und runzelte die Stirn.
„…hast du mein Buch gesehen…? Eben hatte ich noch eines bei mir…“

Leicht verwirrt sah sie zu Elen hoch.

„Und warum soll ich aufstehen? Ich bin etwas erschöpft, weißt du…“

Elen Yaxley, 48 Jahre

Elen erwiderte Nemesis' Lächeln leicht. "Hallo Nemesis", grüßte sie ihre beste Freundin erneut, froh darüber, dass diese jetzt zumindest aufgewacht war. Sie war manchmal zweifellos etwas seltsam, aber es machte wirklich keinen allzu guten Eindruck, in einer Buchhandlung zu schlafen, so müde sie auch sein mochte. Nicht, dass Elen ihr deshalb einen Vorwurf gemacht hätte, viel eher hätte sie Passanten, die sie anstarren mochten, mit einem kalten Blick bedacht - Reinblüter mussten schließlich zusammen halten, ganz besonders in dieser Zeit, da die Schlammblüter mehr Einfluss hatten als gut für sie und die gesamte Zaubererwelt war - aber dennoch musste sie zugeben, dass Nemesis' Verhalten nicht ganz schicklich war. "Ja, ich habe dein Buch gesehen, ich habe es dir aus der Hand genommen," erklärte sie mit ruhiger Stimme und hob es wieder vom Boden auf, um es ihrer Freundin zu zeigen. "Siehst du, hier ist es."

Für einen Moment betrachtete sie ihr Gegenüber noch. "Weil du dich in einem Buchladen, also in der Öffentlichkeit befindest, Nemesis." Sie runzelte ein wenig die Stirn. "Wenn du dich ausruhen möchtest, solltest du vielleicht nach Hause gehen. Aber warum bist du denn erschöpft? Und wo sind deine Hauselfen?" Definitiv eine seltsame Zeit, ganz ohne jeden Zweifel.

„Oh,“ war alles, was Nemesis dazu zu sagen hatte. Ruhig betrachtete sie das Buch, das nun Elen in der Hand hielt. Mittlerweile hatte sie sich vollends aufgesetzt und gähnte leicht. Der Bücherstapel, auf dem sie sich niedergelassen hatte, war alles andere als niedrig, so dass die Beine der zierlichen Hexe in der Luft baumelten ohne den Boden zu berühren.

„Ich war eigentlich gar nicht erschöpft, aber-“ sie nickte in Richtung des Buches, „-das Buch war nicht gut. Langweilig. Ermüdend, verstehst du?“

Sie lächelte sacht. „Aber jetzt bin ich wieder ganz wach. Du bist ja auch da, also habe ich keinen Grund mehr zu schlafen, wenn ich mich langweile. Gehst du spazieren? Du hast auch keine Hauselfen dabei…“ bemerkte sie, außergewöhnlich geistesgegenwärtig, wenn man ihren Zustand bedachte.

Elen Yaxley, 48 Jahre

Elen legte das Buch wieder neben sich auf den Boden, sollte dieser übereifrige Verkäufer es doch wegräumen, wenn er wollte, sie würde garantiert nicht den Buchladen nach dem richtigen Platz durchsuchen. Und ganz ehrlich, so viel Ordnung herrschte hier ohnehin nicht, oder wie war es zu erklären, dass ihre beste Freundin es sich ausgerechnet auf einem Bücherstapel bequem machen konnte? Bei ihr Zuhause hätte es so etwas nicht gegeben, sie achtete sehr darauf, dass alles am richtigen Fleck stand, jedes Buch in der hauseigenen Bibliothek hatte eine bestimmte Stelle, an der es zu stehen hatte, wenn es gerade niemand las - und sonderlich oft nahm sich keiner mehr ein Buch aus diesem Raum. Sie selbst blätterte nur hin und wieder in einem, und Rhiannon, wenn sie denn einmal daheim war, wusste besseres mit ihrer Zeit anzufangen, als zu lesen, auch wenn Elen sich wünschte, ihre Tochter würde sich einmal einer so ruhigen Zeitbeschäftigung hingeben. Ihr Sohn Emrys war dann noch derjenige im Haus, der am meisten las, was ihren Mann Laurence anging... Nun, lesen gestaltete sich als recht kompliziert, wenn man blind war, und allzu viele Werke in Braille nannten sie nicht ihr Eigen. Laurence hatte wohl auch keine Lust darauf, sich immer etwas vorlesen zu lassen.

"Natürlich verstehe ich, Nemesis", erwiderte sie mit sanfter Stimme. "Ich habe mich schon oft genug durch ermüdende Werke gekämpft, weil mir irgendjemand, der angeblich Ahnung hat - oder dies zumindest von sich behauptet - mir dieses oder jenes Buch wärmstens empfohlen hat. Ich sollte wirklich nicht auf solch selbsternannte Fachleute hören." Sie lächelte ihre Freundin an und erhob sich wieder, auch wenn sie nun auf Nemesis herabblicken musste. "Ich war bis heute Mittag auf der Arbeit, danach hatte ich noch keine Lust, wieder nach Hause zu gehen. Hätte ich mir vorher vorgenommen, noch einkaufen zu gehen, so hätte ich natürlich Hauselfen mitgenommen", antwortete sie auf Nemesis' Beobachtung, erfreut über die Geistesgegenwart, die diese gerade bewies. "Ich wollte nur ein wenig durch London streifen. Möchtest du mich begleiten? Ich würde mich freuen."