Remus & Peter

Nachdem Marlene weggelaufen war, war Remus noch ein paar Minuten alleine in der Bibliothek sitzen geblieben, dann hatte er seufzend nach seiner Tasche gegriffen um sich wieder auf den Weg in den Gemeinschaftsraum zu machen. Lernen konnte er jetzt ohnehin nicht, seine Gedanken drehten sich nur um das Gespräch, das er gerade eben mit der Ravenclaw geführt hatte, und um alles, was schief gelaufen war. Das war's dann wohl. So wie Sirius und James geklungen hatten, würde es nicht allzu schwer sein, mit Marlene über seine Gefühle zu sprechen, aber das war es. Zumindest für ihn, einen Werwolf. Der junge Gryffindor gab seiner Lykanthropie die Schuld an seinem Scheitern. Wäre er kein Werwolf, hätte er ehrlich zu Marlene sein können, dann wäre bestimmt alles anders gekommen. Wäre... doch leider war er einer.

Auf halbem Weg zum Eingang des Gryffindorturms im siebten Stock des Schlosses wurde Remus bewusst, dass er eigentlich überhaupt keine Lust hatte, sich jetzt zu seinen Hauskameraden zu setzen und sich ihren neugierigen Fragen zu stellen. Er hatte nicht direkt etwas dagegen, seinen Freunden alles zu erzählen, aber noch nicht jetzt. Erst einmal musste er selbst mit seiner Enttäuschung klar werden. In einem verlassenen Korridor ließ er seine Tasche achtlos zu Boden fallen, kletterte in eine Fensternische und zog die Beine an, bevor er den Kopf auf die Knie legte. Er hatte alles falsch gemacht.

Peter stolperte fast unter der Last der Pergamentrollen und Bücher, die er aus der Bibiliothek in den Gemeinschaftsraum verfrachten wollte, um dort weiterzulernen, da er ziemlich in Verzug war – er hätte diese Hausaufgaben eigentlich schon längst erledigt haben sollen. Aber jetzt saß er nun mal in der Klemme, und jammern half nicht, nur schuften, und vielleicht konnte Remus ihm ja helfen, wenn er zufällig auch gerade im Gemeinschaftsraum war. Eben war ihm so gewesen, als hätte er Remus‘ Stimme in der Bibliothek gehört, aber als er selbst aus seinem Winkel nach draußen gegangen war, hatte er ihn nicht gesehen, also hatte er sich das vielleicht nur eingebildet.

Eine Weile ging er unbehelligt auf den Gryffindor-Gemeinschaftsraum zu, doch auf halbem Wege entdeckte er unerwartet Remus in einer Fensternische. „Nanu, ich hab gerade an dich gedacht,“ setzte Peter an, verstummte jedoch wieder, als er sah, dass Remus seinen Kopf deprimiert auf die Knie gelegt hatte.

„Was ist denn los…?“ fragte er besorgt.

Remus hob den Kopf, als er Peters Stimme neben sich hörte, brachte es jedoch nicht über sich, auch aufzustehen, obwohl er eigentlich sah, dass sein Freund fast schon mehr Pergamentrollen und Bücher dabei hatte als er eigentlich tragen konnte. Aber irgendwie kam es ihm im Augenblick nicht in den Sinn, seine Hilfe anzubieten, er dachte immer nur an Marlene und das, was eben zwischen ihnen beiden passiert war. Es hatte alles so gut angefangen, er hatte schon gedacht, er würde es schaffen, sie könnten es schaffen, aber jetzt war wieder alles wie am Anfang. Nein, schlimmer sogar, denn jetzt war es wohl endgültig kaputt.

Doch trotz seiner düsteren Stimmung brachte er ein schwaches Lächeln zustande, auch wenn man ihm wohl sofort ansah, dass ihm ganz gewiss nicht nach Lachen zumute war. "Hey Peter..." grüßte er zurück und kramte in seinem Gedächtnis nach irgendetwas, das er sagen könnte. Es erschien ihm falsch, einfach nur hier zu sitzen und einen seiner besten Freunde anzuschweigen, aber es war im Augenblick das einfachste. Auf Peters Frage hin, was denn los sei, zuckte er nur hilflos mit den Schultern. Wie sollte er das denn erklären? "...Warst du in der Bibliothek?" fragte er schließlich mit etwas tonloser Stimme, auch wenn die Antwort wohl recht offensichtlich war, denn woher sollte Peter sonst wohl all die Bücher haben?

„Hm, ja, war ich…“ antwortete Peter leise, bevor er seine Bücher und Pergamentrollen kurzerhand auf dem Boden abstellte, um sich besser um Remus kümmern zu können. Denn dass er gerade einen Freund nötig hatte, war wohl offensichtlich. Immerhin fragte Remus meistens keine so dermaßen offensichtlichen Fragen, wie „Warst du in der Bibliothek?“, wo Peter doch schwerlich woanders hätte sein können, es sei denn, er hätte soeben eine Filiale von Flourish & Blotts ausgeraubt… und auch sein Lächeln wirkte eher als sei ihm gerade zum Heulen zumute.

Peter setzte sich neben Remus auf die Fensternische, so gut es der begrenzte Platz zuließ, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „…willst du nicht drüber sprechen…? Ich meine, es ist doch etwas los, oder etwa nicht…?“ erkundigte er sich vorsichtig.

Remus schluckte, er wollte jetzt nicht weinen, nicht hier, auf dem Flur, wenn einer seiner besten Freunde vor ihm stand und ihn so besorgt ansah, aber ihm war im Moment einfach nur nach Heulen zumute. Fast wäre es gut gegangen. Er hatte ihre Hand gehalten. In Gedanken spielte der Gryffindor immer wieder seine Begegnung mit Marlene in der Bibliothek durch, fragte sich, was er hätte anders machen können, überlegte, wie er es beim nächsten Mal machen würde – und bezweifelte doch gleichzeitig, dass es überhaupt ein nächstes Mal geben würde. Höchstwahrscheinlich würde die Ravenclaw sich nun von ihm fernhalten, und er könnte es ihr noch nicht einmal verübeln. Sie hatte niemanden verdient, der nicht ehrlich zu ihr sein konnte.

Unglücklich wich er Peters Blick auf, wies seinen Freund aber auch nicht zurück. Konnte es helfen, wenn er darüber sprach? Zögerlich nickte er, starrte aber immer noch zu Boden. „Ich… ich habe Marlene getroffen…“ erklärte er ihm mit leiser Stimme. „Es… es war Zufall… in der Bibliothek…“ Wo sollte er nur anfangen? Peter kannte zwar sein Geheimnis, aber Remus wusste trotzdem nicht, wie er das, was eben geschehen war, in Worte fassen sollte.